Restaurant Silvio Nickol im Hotel Relais & Châteaux Palais Coburg

Published by Tuesday, July 26, 2011 Permalink 0
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by André Cis

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Als logischen oder zumindest Konsequenten Schritt kann man Silvio Nickol‘s Wechsel vom Wörthersee in die Österreichische Hauptstadt nennen. Nachdem sich die Zeichen mehrten, dass das einstige Flaggschiff der mit Fanfahren ins Leben gerufenen “Capella-Hotelgruppe” im Sinken begriffen ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis Nickol zu neuen Herden aufbrechen würde.

Palais Coburg. Eigner Peter Pühringer schien nach dem jähen Abgang des begnadeten österreichischen Paradekochs Christian Petz – just nach der Vergabe der 4. Haube im Herbst 2008 – keine Intention mehr zu haben, einen 2. Versuch ob eines Gourmet-Restaurants zu starten. Im Gegenteil, schien es doch gar ins Bild der so trüben Wirtschaftslage zu passen, dünnte sich in den vergangenen Jahren die Wiener Spitzengastronomie sukzessive aus – unlängst mit dem unerwarteten Paukenschlags der Nicht-Eröffnung des Shangri-La Hotels und dem somit arbeitslosen Spitzenkoch Joachim Gradwohl.

Nun will man es also noch einmal wissen, in der Coburgbastei Nr. 4. Und seien wir uns ganz ehrlich: Einer der besten Weinkeller der Welt verdient ein anständiges Restaurant als Kompagnon!

Der Empfang an der kühl gestalteten Rezeption des Luxushotels ist freundlich, ich werde sofort von der Restaurant Hostess mit Namen begrüßt und zum Aufzug begleitet, da dieser ohne Chipkarte gar nicht zugänglich wäre. Das Restaurant als solches ist kaum wiederzuerkennen. Silvio Nickol durfte sich förmlich austoben, respektive wurden die Räumlichkeiten neu nach den Vorstellungen des Chefs maßgeschneidert und geben sich jetzt in Weiß und Purpur, das Kreuzgewölbe fällt dem Gast gar nicht mehr auf.

Subjektiv wirkt der Gastraum auf mich kleiner, ich würde sagen es können weniger Gäste beherbergt werden als eingangs.

Neu sind auch zwei Tische im Eingangsbereich / Foyer, die man als “Chefs-Table” Ersatz konzipiert hat. Da die Küche selber doch eher beengt ist und man dort keinesfalls komfortabel Gäste platzieren und betreuen kann hat man sich für die Moderne Variante: Live-Schaltung in die Küche – entschieden…. “Big Brother is watching you“.

Obwohl man mir einen Tisch im eigentlichen Gastraum – welcher an diesem Dienstag-Abend gefüllt ist – freigehalten hat, wird spontan offeriert, gerne auch an einem der nicht belegten “Chef’s Table” platz zu nehmen. Ich ergreife die Chance, bin ich doch ohne Begleitung und so und so am Geschehen in der Küche interessiert.

Der Stuhl ist bequem, der Tisch großzügig bemessen und klassisch eingedeckt (was heute immer weniger der Fall ist). Die Frage nach Stillem Wasser wird mit Wiener Quellwasser selbstverständlich und herzlich aufgefangen – eingeschenkt und getrunken wird dieses aus leicht ulkig anmutenden „Thermoskannen“ (-bechern). Ein kurzes Gespräch mit dem jungen und äußerst engagierten Sommelier – welchem ich freie Hand ließ –  mit der Bemerkung es dürfe gerne “off the beaten track” sowie gereifter sein – und schon kommt das eröffnende Prickelnde in Form eines Pelours Brut von Cloudy Bay / NZ. Schnell kommt ein erster Gruß aus der Küche zu Tisch:

Terzett von der Melone: einmal dehydriert, flüssig mit flüssigem Speck sowie gefroren als “Fizz” – letzteres Element gefällt am Besten. Zwischendurch bringt der Service Brot zur Auswahl, welches sich  steigerungs-würdig gibt. Wein-technisch bleiben wir im Ton, aus selber Provenienz wie der Schaumwein kommt zweites (Zaltho-)Glas erneut mit Sauvignon Blanc befüllt – diesmal still – ein 10er von Ata Rangi, gerade an diesem Tag frisch eingetroffen. Zu Tisch kommt nunmehr das 2. Amuse – optisch einvernehmend auf dampfenden Trockeneis dargereicht – ein

Quartett von der Gamba. Ehe ich mich verstehe steht ein 2. Glas Sauvignon vom anderen Ende der Welt aus dem Russian Valley in Kaliforien vor mir – der 08er von Rochioli mundet feinst zur Gamba. Letzterer Wein ist auch Partner zum Eröffnungsgang:

Gemüsejausen“. Beflissene Esser des Zeitgenössischen werden sich unmittelbar an die neue, skandinavische Küche erinnert fühlen. Ein tiefer Teller mit leuchtend grünem Fond, darauf mehrheitlich Knäckebrot sowie Radieschen, Kräuter und Gemüse – Rohkost (diese allesamt aus nächst-möglichem Anbau, wie der Service aufmerksam bemerkt). Meine Augen leuchten nunmehr als der Sommelier mit der nächsten Flasche zu Tisch kommt: Neuburger steht da auf bronzenem Etikett, des weiteren ein bekannter Wachauer Name: Högl, wirkliches Entzücken löst dann der Jahrgang aus: 1992 ! Dieser Wein begleitet den 2. Gang des Tages:

Symphonie vom Heimischen Zander. Einerseits besteht diese Komposition aus einem (mit einer Prise zu viel Fleur de Sel) Tatar mit dreierlei Dips, einer gebackenen Praline mit Apfelchutney, einem Canollo sowie einem Moussetörtchen. Die Aromen sind fein austariert, der Zander kommt bravourös zur Geltung. Ob der großen Freude über den favolosen, flüssigen Speisebegleiter bekomme ich unaufgefordert ein Schlückchen nach geschenkt. Ich blicke auf „meinen“ Flatscreen an der Wand und just als die Regie zum Pass schaltet erklärt ein Servicemitarbeiter, was denn da gerade unter handwerklicher Feinmechanik für mich entsteht:

Tofu steirische Art, primär bestehend aus zwei köstlich marinierten Tofu Zylindern samt (stark) süß-saurem Hokkaido-Kürbis Püree in leicht krümeliger Konsistenz (mal was anderes!) sowie einem „Stunden-Ei“, zu Tisch ergänzt mit etwas Kalbsfond. Der Sommelier hat dazu Schweizer Wein aus dem Wallis auserkoren – die alte –  rassig im Charakter – Rebsorte Petite Arvine, ein 08er von Thierry Constantin. Es folgt der absolute Schwachpunkt des Abends:

Falsche Jakobsmuschel“ entpuppt sich als Rettich, begleitet von viel Roter Bete in verschieden Varianten und Texturen, dazu sollten diverse „Kräuter-Dips“ Akzente setzen. Einzig und allein der saftige 02er Meursault 1er Cru Les Charmes von Guy Roulot vermag mir hier ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Mit dem Wein bleiben wir im Burgund, das Glas zum Hauptgang wird befüllt mit einem wunderbar gereiftem 98er Romanée St.-Vivaint GC von Confuron.

Rochenflügel BBQ isst sich dann mindestens genau so spannend wie es sich liest. Das Gericht begeistert mit einem gelungenen Balanceakt mit Grill und Räucher-Aromen, die trotz allem den Fisch nicht erschlagen. Die „erdige“ Applikation dazu vermählt sich wunderbar mit dem angegossenen Jus, krosse Gemüse-Elemente ergänzen das Gericht aufs wunderbarste.

Bei Silvio Nickol durfte ich immer wieder – exemplarisch für die ganze Branche in Österreich – feine Käse-Gerichte erleben. Während seiner Zeit im Schlosshotel wurden so immer wieder Käse vom Nuart-Hof ins Rampenlicht gerückt. In Wien nun wird dieses Mahl einem Käse aus West-Österreich gefrönt:

Splitter vom gereiften Vorarlberger Bergkäse mit Apfelwasabi klingt nach Spannung – ganz wie die dazu auserkorene Begleitung in Form eines 00er Zinfandel Dogtown von Turley aus Kalifornien. Leider ist der Käse der große Verlierer in diesem Gericht. Die dominanten Aromen sind nicht optimal austariert, selbst der eingebaute „Brause-Effekt“ kann daran nichts mehr ändern.

Große Augen bekomme ich, als das nächste Fläschchen zu Tisch getragen wird; Unter der Prämisse „Lager-Inventur“ offeriert der Sommelier nunmehr ein 1971er Ungsteiner Honigsäckel (Riesling & Scheurebe) TBA vom Frankhof aus der deutschen Pfalz. Der gereifte Wein macht noch einen recht vitalen Eindruck, die knackige Säure steht im leckeren Widerstreit zu den exotischen Honig-Tönen samt leichten Petrol-Noten. Puristisch nun das Dessert, schlicht genannt

Kaffee und Kuchen: Ein Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern, welcher von der Konsistenz allerdings mehr einem festen Pudding ähnelte wurde begleitet von einem Kaffee-Granite serviert am Boden einer Tasse, bedeckt von etwas viel Schlagsahne. Der Sommelier schließt den Reigen mit einem halbtrockenen Champagner aus dem Hause Veuve Cliquot.

Joghurt Panna Cotta mit Basilikumsavarin und Melonen-Dillsüppchen schaut dann zwar formvollendet aus, jedoch wollen sich die einzelnen Aromen an meinem Gaumen nicht so wirklich vermählen. Den Ansatz, etwas Erfrischendes zum Schluss zu servieren nehme ich natürlich wohlwollend zur Kenntnis.

Zum abschließenden Espresso gesellt sich noch ein freundlicher Zeitgeist aus der Pâtisserie zu Tisch. Es wird angeregt geplaudert, all die kleinen Köstlichkeiten, die da noch angeboten werden schlage ich dankend aus.

Letzter Akt, die Rechnung: Das Große Menü in 7 Akten schlägt mit € 148,– zu Buche und gibt somit auch selbstbewusst die Marschrichtung vor. Der Wein ist mit € 125,– taxiert – sicherlich kein Pappenstiel, jedoch für das offerierte finde ich die Summe legitim. Herr Nickol verabschiedete sich persönlich mit einem Gläschen Kräutersalz als Mitgift, angenehm gesättigt aber nicht „voll“ konnte ich meinen Abend in Wien beschließen.

Fazit:

Hier sind Könner am Werk – kein Zweifel. Ja, gewisse Details waren noch nicht ganz rund, dies sollte jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache gesehen werden, dass das Restaurant noch keinen Monat operiert. Die Erwartungen an das neue Wiener Gourmet-Restaurant sind hoch, ich bin gespannt wie sich das Team bis in den Herbst eingespielt haben wird. Silvio Nickol bietet moderne Haute-Cuisine fußend auf der klassisch, französischen Hochküche. In der Karte gibt es ein eher konservatives Menü als Reminiszenz an eine gewisse Kundenschicht, ein zweites Menü zeigt jedoch ganz klar auf, in welche Richtung der Meister am Herd schielt – nicht zuletzt lässt Nickol hier seine Favoriten farblich hervorheben. Diese Speisenkarte können Sie vorab (ganz wie die Weinfibel) online studieren. Schlussendlich bekam ich bis auf eine für mich gedruckte Karte nichts schriftliches in die Hand, der Maître Frage nach dem abservieren des 1. Amuses: „Hat Ihnen das gefallen“ – gefolgt von einem „sollen wir einfach so weiter machen“ … wir klärten die Anzahl der Gänge und was mir nicht vorgesetzt werden sollte… eine Art zu speisen, die ich auch Ihnen sehr ans Herz legen möchte!

Restaurant Silvio Nickol im Hotel Relais & Châteaux Palais Coburg

Coburgbastai Nr. 4
1010 Wien, Österreich
Telefon: +43 (1) 51818800,
Internet: www.palais-coburg.com
email: gourmet@palais-coburg.com
Öffnungszeiten: Nur Abendessen, DI-SA
Besuch: April 2011
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André Cis wurde 1984 geboren und wuchs in einer Hoteliers-Familie auf, was ihm von Kindesbeinen an Erfahrungen mit der Gastronomie einbrachte. Er schloss erfolgreich seine Fachausbildung an einer von Europas renommiertesten Tourismus-Akademien ab. 2005 übernahm er den familiären Hotel- und Restaurant-Betrieb und positionierte diesen erfolgreich als Boutique Hotel mit Anspruch auf gehobene Gastronomie. André spricht mehrere Sprachen und ist immerzu weltweit auf der Suche nach dem nächsten kulinarischen Abenteuer. 2011 startete er seine Karriere als freischaffender Journalist, Autor und Konsulent.
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